Fahrzeugberatung

März 2013

Nach dem mich immer mehr LKW-Verrückte anschreiben und mich um meine Meinung bitten, was für und welche Fahrzeuge ich für geeignet halte um zum Fernreise-Fahrzeug oder Expeditionsmobil umzubauen, macht es m.M. Sinn eine separate Seite für meinen Kommentar einzurichten! (Ich denke die Seite wird sich mit der Zeit noch verändern! Ich erweitere mit Datumsangabe.)

Natürlich beziehen sich die meisten Fragen auf unsere Hilde1 bzw. genauer um den VW-MAN.

Um es vorne weg zu beantworten: Wir haben unseren VW-MAN nicht wegen der Pannen auf unserer Reise verkauft. Es ging vielmehr darum ein größeres Fahrgestell (Auslastung bis zum zulässigen Gesamtgewicht) unter die vergleichsweise große Kabine zu bekommen. Natürlich mit dem schönen Nebeneffekt, dass man auch noch mehr Leistung bekommt!
155 Saug-PS vs. 245 Turbo-PS ist schon eine Ansage!

Die Hilde1 war Baujahr 1992 und somit einer der letzten G90 der Kooperation VW-MAN. MAN kaufte sich 1993 bei STEYR ein und übernahm die modernen Fahrerhäuser der L2000 Baureihe. Näheres habe ich schon vor langem hier geschrieben.

Würde ich heute wieder ein G90 kaufen würde ich auf folgende Punkte achten: Ich würde nach einem 8 oder 9.150 schauen. 8.150 sind selten 9.150 sehr selten. Die 8.136 sind häufig bei der dänischen Armee im Einsatz gewesen. Erkennungsmerkmal auf die Ferne: Der 150-er hat das Typenschild auf der Türe der 136-er an der A-Säule.

 

 

 

Wichtig wäre mir, dass er die großen MAN-Achsen verbaut hat! Zu erkennen sind die MAN-Achsen an den ovalen Differenzialgehäusen.

Die schwächeren SOMA-Achsen haben ein deutlich filigraneres Aussehen und ein kugeliges Differenzialgehäuse. Im übrigen sind die Vorder- und Hinterachsen immer von einem Hersteller! Es gibt 2 Radstände. 3,10 m und 3,50 m. Ich würde immer den längeren bevorzugen! Der Vorteil ist das ruhigere Fahrverhalten und die Möglichkeit einen größeren Aufbau zu verwenden! Ob sich der Wendekreis deutlich unterscheidet kann ich nicht sagen!

Typische technische Schwachstellen sind beim G90 nicht wirklich vorhanden. Problematisch sind die Fahrerhäuser die von VW hergestellt wurden, an den Nähten der Bleche kommt es zu VW-LT typischem Gammel und teilweise ordentliche Rostnester. Das gilt auch für die unteren Scheibenecken.  Natürlich muss man sich im Klaren sein, dass man trotz LKW-Technik ein Fahrzeug anschafft was nicht ewig hält. Ob der LKW nun bei der Feuerwehr, Armee oder in privat Hand war es gibt überall gute und schlechte Fahrer. Abraten würde ich von einem Fahrzeug welches im Streudienst bei einer Kommune eingesetzt war, womöglich mit Schneeräumplatte!

Man bekommt soweit ich es beurteilen kann alle Ersatzteile bei MAN leider auch mit den typischen hohen Preisen. Im freien Handel (Europart, Trost, Wessels & Müller oder Winkler) sind die G90 weniger vertreten bei jüngeren Beratern an der Theke sogar unbekannt (das kann aber auch bei MAN passieren)!

Was öfter vorkommt, sich i.d.R. aber mit wenig Aufwand lösen lässt sind festgerostete Schaltwellen der Untersetzung bzw. der Längssperre. WD40 und etwas Geduld gepaart mit leichter „Hammergewalt“ lässt das Ganze wieder Gängig werden.

Von beiden Motorisierungen kann man keine Wunder erwarten. Man muss sich im Klaren sein, dass alle (ausgenommen vielleicht Wettbewerbsfahrzeuge für die Dakkar) LKW auf maximal 80 Km/h ± per Übersetzung der Achsen eingestellt sind. Militär-Fahrzuege sogar meist auf 60 Km/h. D.h. das optimale Verbrauchsergebnis wird man mit dieser „maximal“ Geschwindigkeit erreichen! Man kann nun größere Räder montieren bei den G90 sind meißt 12,5R-20 auf 11-20 Sprengringfelgen verbaut. Bei einem Wechsel auf 14,5R-20 / 365/80 R 20 bzw. 385/60 R 22,5 steigert man die Endgeschwindigkeit um ca. 7%. Man darf allerdings trotzdem nicht schneller als 80 Km/h fahren! Ausnahme mit Wohnmobilen unter 7,5 t darf man 100 Km/h fahren.
Achtung! Diese Aussage ist nicht allgemein gültig bitte lest dazu die betreffenden nationalen und internationalen Vorgaben und Gesetze durch oder holt Euch in den verscheidenen Internet-Foren weitere Informationen! Dies alles hier auf zuführen würde zuweit gehen!
Viele Eigentümer von G90 haben ein ZF 6-Gang Getriebe eingebaut. Dieses Getriebe hat einen langen 6. Gang mit einer Übersetzung von ca. 1:0,8 sprich man kann mit diesem Getriebe eine akzeptable Reisegeschwindigkeit bei idealer Drehzahl erreichen! Man darf allerdings die Kosten nicht unterschätzen. Für den Umbau sind mit Getriebe schnell 3-4.000,- € fällig! Dafür kann man im Ausland sehr weit fahren! Ich habe das Getriebe nicht umgebaut!

Meine Einschätzung zum Fahrzeug (Bezogen auf den G90 9.150 auf 14,5R-20 Conti MPT 81, 3,5m Radstand ca. 8 t Gewicht):

Die Fahrleistung innerhalb Europa ist absolut ausreichend. Man kann auf der Autobahn i.d.R. Mitschwimmen ohne den Verkehr auf zuhalten. An Steigungen wird man schnell zum Hindernis 40-60 Km/h sind keine Seltenheit. Wer allerdings mal einen 40 Tonner mit 460 PS den Pforzheimer-Berg hochgefahren hat, wird sich bewusst, dass man eigentlich in einer Rakete sitzt! Man darf das alles einfach nicht mit einem PKW vergleichen! Das Leistungsverhältnis ist ungleich schlechter!

Die Geländeeigenschaften sind absolut überzeugend. Wichtig dabei sind jedoch ausgeglichene Achslasten! Wenn man 4 Ketten hat ist man auch auf verschneiten Straßen der Chef! Wer es allerdings ohne versucht ist schnell der Verlierer! Ich bin mehr als 1 x mit 4 blockierten Rädern über rote Ampeln gerutscht! (Was nicht am fehlenden ABS oder zu hoher Geschwindigkeit lag!)

Das Handling ist im Vergleich zu der Hilde 2.0 extrem sportlich. Ich habe mich Anfangs recht schwer getan was die Dimension des neuen Fahrgestells angeht. Der lange Radstand von 3,9 m und die echte LKW-Breite von 2,5 m machen das defensiv und vorausschauende Fahren unerlässlich! Der G90 ist dazu fast wie GoKart fahren. Die Spurweite ist bei ca. 2,2 m und die breiteste Stelle waren die Kotflügel an der Vorderachse mit 2,3 m.

Das Geräuschverhalten in der Kabine ist, solange man keinen Durchgang zum Wohnaufbau hat, sehr gut. Mit Durchbruch wird es Zwangsläufig lauter aber nicht so laut, dass man sich nur noch schreiend verständigen könnte. Zimmerlautstärke geht dann halt nicht mehr!

Grundsätzlich sollte man noch erwähnen, dass es nur sehr sehr wenige echte Allrad-LKW gibt die legal die 7,49 t zulässiges Gesamtgewicht einhalten. Egal ob Mercedes 1017, G90, Iveco 110-17, Magirus Mercur oder, oder, oder. Wir hatten am Ende Reisefertig 8,8 Tonnen Gesamtgewicht! Das sind deutlich mehr als die teilweise geduldten 10% Überladung! Meine Empfehlung lautet daher: Macht den LKW-Schein. Man bekommt den teilweise schon ab 1.200-1.500 € Natürlich ohne Hänger und ohne Berufskaftfahrerqualifizierung! Aber mit reichlich Fachwissen um den LKW. Fahrdynamisches Wissen und etwas Praxis schaden sicher auch nicht, wenn man vom Landrover in den LKW wechselt!

Was noch nicht angesprochen wurde ist: Welcher Fahrzeugtyp/Hersteller am Geeignetsten ist um als Basis herzuhalten. Das kann man absolut nicht festlegen. In Zukunft wird es zusätzlich immer schwerer Fahrzeuge ohne Elektronik zu kaufen. Ich habe mich für Mercedes entschieden da ich denke mit der SK-Baureihe eine Basis zu haben, welche fast Weltweit verkauft wurde und dazu recht Modern ist. Das Fahrgestell wurde erst letztes Jahr (2012) durch den neuen Actros MP4 erneuert! Die Achsen, Bremsen und sonstige Verschließteile sind aus der Großserie und millionenfach verbaut! Somit sind Ersatzteilpreise überschaubar! Auch was das Beziehen im freien Handel betrifft!

Noch ein Wort zum Gewicht. Ich habe nun ein 18 t Fahrgestell, das Gewicht beträgt derzeit ca. 10 Tonnen. Ich habe also 8 Tonnen Reserve. Der G90 hatte als technisch zulässiges Gewicht 9,3 t. Ich hatte also mit dem Reisegewicht eine Reserve von 500 Kg!

Kosten: Ich sage allen LKW-Neulingen wer keine 2.000,- € im Jahr für sein Hobby übrig hat sollte sich was anderes suchen! Die 2.000,- € sind nur für das HABEN damit ist man noch keinen Meter gefahren! Meine Rechnung sieht aus wie folgt:

200,- € TÜV/AU pro Jahr
750,- € Steuer
300-500,- € Versicherung
360-1.200,- € Unterstellplatz

Das ist nur grob gerechnet: Wir haben knapp 3.000,- € Fixkosten p.a. (Bin jetzt doch selbert überrascht!) Allerdings bezahlen wir über 1.000,- € Steuer, haben eine Vollkaskoversicherung sowie einen 100 m² überdachten Stellplatz!
Bei einem Verbrauch von ca. 26l/100 Km ist auch der Wochenendausflug nicht so günstig! Man muss schon ziemlich verrückt sein für dieses Hobby! Dazu kommen allerlei Dinge wie ne neue Kupplung für 2.000,- € oder 4 neue Reifen für 1.000,- € das Stück! Reparaturen unter 500,- € sind da wirkliche Kleinigkeiten und nicht erwähnenswert! Wer nicht selber schrauben kann und auf eine Werkstatt angewiesen ist, hat auch noch höhere Werkstattpreise. Stundenlöhne sind meist bei über 100,- € plus Steuer. Auch ein trivialer Ölwechsel ist bei Füllmengen von rund 20 Liter im Motor kein Schnäppchen. In der Hilde 2.0 sind z.B. 46 Liter Öl in allen Achsen, Getrieben und Motor.

Man kann hier nicht alles erschöpfend erläutern, dafür gibt es Internet-Foren in denen man Fragen stellen darf und in denen man „teilweise“ vernünftige Antworten bekommt! 😉 Man sollte sich auch mal auf den verscheidenen regionalen Treffen umschauen sich mit Eigentümern unterhalten und Anregungen zum Träumen holen. Mir hat bei der Planung ein Lastenheft geholfen. Ich hatte klare Vorstellungen was mein Fahrzueg haben muss und auf was ich absolut nicht verzichten wollte! Für absolute Neulinge ist es vielleicht Hilfreich mal mit einem Mietmobil (Hymer) 2 Wochen rumzuziehen. Da bekommt man zumindest mal einen Einblick was praktisch ist oder was anders sein sollte!

Fortsetzung??? Ich schalte hier mal die Kommentarfunktion frei. Wer will kann hier seine Fragen formulieren und ich werde sie dann versuchen zu beantworten! Mal schauen ob das was wird?!?!? ;o) Ergänzung zum 09.05.2018: Dank der DSGVO schalte ich die Kommentarfunktion wieder ab… Die Beiträge habe ich gecleant! Somit sollte die Gefahr der unberechtigten Weitergabe perönlicher Daten gebannt sein!


7 Gedanken zu „Fahrzeugberatung

  1. Hallo Chris, erstmal danke für die Hilfe und die tolle Unterstützung. Ich lese mich dann mal ein und würde mich ggf. Nochmal melden…? Viele Grüße, Wolfgang

  2. Hallo Wolfgang,

    für eine Aussage die Magirus-Fahrzeuge betreffend habe ich zuwenig Einblick in die Fahrzeuge. Der größte Vorteil wird die günstige Beschaffung der Basis sein. Allerdings muss man schon von deutlich über 25 Jahre alten Fahrzeugen ausgehen! Desweiteren ist es auch schwer Dir einen Tipp zugeben was Du als Basis nehmen sollst was den Aufbau betrifft. Du kennst sicher die Internetseite: http://www.Allrad-LKW-Gemeinschaft.de, dort hast Du Lesestoff für die nächsten 2 Jahre. ;o) Es macht auch Sinn mal die einschlägigen Treffen von Weltreise erfahrenen Menschen zu beuchen. Interessant ist auch die Abenteuer-Allrad in Bad Kissingen an Fronleichnahm. Dort findet man immer wieder auch interessante Ideen und man kann sich über verschiedene Konzepte einen tollen Überblick verschaffen! Wichtig war mir, und dan Tipp gebe ich allen: Ein Lastenheft zu erstellen mit den Dingen die man für sich als Unbedingtnotwendig, Wichtig und wenigerwichtig einstuft. Daraus ergeben sich viele Grundlagen um die man dann sein Fahrzeug bauen kann! Eine kleine Anmerkung am Rande zum LAK. Ich finde das Teil ansich gut und ich kenne einige echt geniale Ausbauten. Der LAK hat aber auch viele Nachteile. Zwei sind: Das Teil ist nicht Isoliert und es hat keine einzige gerade Fläche! Schöne Grüße aus dem Schwabenland Chris

  3. Hallo und danke für die wirklich hilfreichen Tipps als Newcomer. Wir planen in gut 2 Jahren den Erwerb eines LKW zum Umbau (Planungszeit 3 Jahre) um dann einmal 4-5 Jahre kleinere Europatouren von bis zu 8 Wochen zu testen um dann letztendlich in ca. 10 Jahren dann mehrere Jahre das Mobil unseren Ständigen Wohnort zu nennen :). Hast du vielleicht einen Praxis und erfahrungstipp bezgl. Der Auswahl Magirus 170er Serie (weiß noch nicht ob kleine oder große fahrerkabine) oder Mercur , beides ggf. Mit LAK II Container zum Umbau ergänzt. Den LKW Schein werde ich auf jeden Fall noch machen, da ich die 12t für das Ziel des „ständigen Wohnortes“ in 8-10Jahren wahrscheinlich besser Nutzen kann. Aber wie sieht es mit Geländeerfahrungen/Tips mit den Fahrzeugen aus…Sand / wüste / berge / Schnee etc…aus? Fragen über Fragen bei einem Frischling 😉 … Freue mich über Tipps ! Viele liebe Grüße aus dem Rheinland

  4. Servus Chris,

    tolle Idee eine Fzg-Beratung aus der Praxis zu machen. Zu den Feuerwehrfahrzeugen sollte man anmerken, dass zwar sehr guter Zustand und trockener Hallenstellplatz die Regel sind, aber die Autos für den Einsatz (… wenns brennt…) leider nicht richtig warmgefahren werden. Da muss es schnell gehen, da wird das Auto getreten und idR die Gänge reingewürgt und mit Randale zum Einsatz gehetzt. Das bekommt den Autos nicht wirklich. Von daher sollte man auch bei den Feuerwehrautos schon mal genauer hinschauen…

    Viele Grüße
    Jürgen

  5. Hallo Michael,

    ich würde kein Komunalfahrzeug nehmen speziell wenn es ein Salzsteuer war. In der Regel sind die Fahrzeuge extrem vergammelt. Wenn sie mit Schneräumplatte ausgestattet sind, ist die Gefahr von verzogenen Rahmen nicht gering. Ich weiß von 2 Fahrzeugen die Rahmenschäden hatten weil das Schneeschild gegen eine Mauer gefahren wurde! Desweiteren muss man schauen ob das Fahrzeug evtl. in der Grünpflege eingesetzt wurde. da kann der Km-Stand zwar verlockend sein. Wenn das Auto jedoch 10 Jahre im Sommer mit Mähwerk im Schrittempo an der Straße entlang fuhr, sind 50.000 Km zwar nix, 12.000 Beriebsstunden aber mächtig viel! Kleine Rechnung: Lebenswerwartung LKW ca. 800.000 km / 80 Km/h = 10.000 Stunden. Feuerwehrfahrzeuge bieten sich daher als Ideale Basis an. I.d.R. haben die Fahrzeuge nach 20 Jahren weniger als 30.000 Km runter. Wurden immer gut gepflegt und gewartet und sie wurden immer im Trockenen abgestellt!

    Grüße Chris

  6. Hallo Peter (soll vermutlich Chris heißen!),

    Du schreibst hier, dass ein Fahrzeug (9.150) aus dem Kommunalen Räumdienst nicht als Basis zu empfehlen ist. Warum? Zu viel Rost, zu viele verschieden Fahrer?

    Schöne Grüße aus Achern
    Michael

  7. Hallo Anja und Chris!

    Gratulation zur tollen Idee und der Mühe, dass du hier kompakt und informativ deine Erfahrungen und Einschätzungen an Interessierte weitergibst. Ich kann dich nur ermuntern diesen Bereich weiter so super auszubauen!

    Herzliche Grüsse Peter

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